Wasserstoff: Die ersten "GasHyzungen" im Wärmemarkt
Wasserstoff ist der wesentliche Hoffnungsträger der Energiewende. Kein Wunder, denn wenn er verbrennt, entsteht im Wesentlichen Wasser. Praktisch alle Energieanwendungen können grundsätzlich auf Basis von Wasserstoff klimaneutral laufen, einige aber nur, wenn der Wasserstoff vorher zumindest methanisiert wird. Und so laufen umfangreiche Entwicklungsarbeiten, um die Industrie und den Verkehrssektor schnellstmöglich zu „hydrogenisieren“. Wiederum bleibt der Wärmemarkt, d. h. die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser, in den theoretischen Betrachtungen der Politiker bisher leider außen vor.
Dies ist unverständlich. Denn es wird angeführt, dass z. B. elektrisch angetriebene Wärmepumpen immer mehr Gebäude beheizen sollen. Im Neubau trifft dies sicherlich zu, aber im Gebäudebestand und in Mehrfamilienhäusern ist häufig weder ausreichend Umweltwärme verfügbar, noch kann mit der Wärmepumpe die nötige Vorlauftemperatur erreicht werden. Auch der Umstieg auf biogene Ressourcen, wie Pellets oder Scheitholz ist wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Biomasse nur in begrenztem Umfang möglich. Aus diesem Grund bietet es sich an, die vorhandenen Gasnetze und Heizungstechnologien weiterhin zu nutzen, nur mit möglichst klimaneutralem Brenngas. Die dafür notwendigen Entwicklungen sind bereits weit fortgeschritten.
KWK-Kompatibilität mit Wasserstoff
Die zur Erzeugung von Raumwärme und heißem Trinkwasser benutzten Gasbrennwertheizungen, Blockheizkraftwerke, Brennstoffzellen oder Mikrogasturbinen sind zumeist an das vorhandene Gasnetz angeschlossen. Über dieses umfassende Netz kann ein steigender Anteil an Wasserstoff zu den Verbrauchern gebracht werden. Schon heute wird ein Anteil von bis zu 20 % Wasserstoff als unkritisch betrachtet. Aber trifft das auch für die Heizungstechnik zu? Die Antwort ist: Sogar mehr als das.
Denn BHKW-Motoren können technologiebedingt häufig ohne weitere Umrüstung einen Wasserstoffanteil von über 20 % nutzen. Für größere Anteile müssen einzelne Umbauten an der Einspritztechnik und am Zündregime durchgeführt werden. Mehr ist aber nicht notwendig. Brennstoffzellen sind dagegen sogar auf Wasserstoff angewiesen und stellen diesen sogar in der Anlage aus dem Energieträger (Erdgas, Flüssiggas) selbst her. Teilweise kann der elektrische Wirkungsgrad und damit die Effizienz der Anlage noch gesteigert werden, wenn Wasserstoff direkt eingesetzt wird. Mikrogasturbinen sind in der KWK die Alleskönner: Durch die hohen Temperaturen und die hochwertigen Werkstoffe kommen sie ohne Umbauten mit einem breiten Mix an Brenngasen inklusive Wasserstoff zurecht. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist wasserstoff-ready!
Die "GasHyzung": Innovation für den Heizungsmarkt
Bei Gasbrennwertheizungen ist die Nutzung wasserstoffhaltiger Gase eine gewisse Herausforderung. Die hohen Flammengeschwindigkeiten und die höheren Temperaturen der offenen Wasserstoffflammen erfordern ähnlich den BHKWs einzelne Umbauten. Weil der Aufwand dafür aber überschaubar ist, haben mit BDR Thermea, Viessmann und Bosch Thermotechnik drei führende Heizungshersteller unabhängig voneinander ihre Brennwertheizungen so zu einer sog. "GasHyzung" modifiziert, dass sie mit reinem Wasserstoff betrieben werden können. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Marktteilnehmer mit eigenen Entwicklungen aufwarten können.
Dabei gibt es zwischen den jeweiligen Konzepten nur einen kleinen Unterschied. Denn während Viessmann und Bosch Thermotechnik Lösungen präsentiert haben, die zunächst auf Erdgas laufen und im Moment der Änderung des Brenngases einfach auf Wasserstoff umgerüstet werden können, geht die BDR Thermea den Weg, einen reinen Wasserstoffkessel für die wahrscheinlichen Inselnetze mit 100 % Wasserstoff anzubieten. Mit ihrer Entwicklungsarbeit haben es Viessmann und BDR Thermea in der Kategorie „Innovative Produkte“ bis in das Finale des Innovationspreises der deutschen Gaswirtschaft 2020 geschafft.
Die zukünftige Aufgabe von Gas: Erdgas, Biomethan, Wasserstoff
Aber was sind die langfristigen Aufgaben? Denkmalgeschützte Altbauten, dicht bebaute Innenstädte, mehrgeschossige Wohngebäude und Gewerbebetriebe ohne Prozesswärmebedarf können z. B. über multivalente Fernwärmenetze versorgt werden. Denn die Kopplung der verschiedenen Bedarfe und Erzeuger setzt massiv Potenziale zur Energie- und damit zur CO2-Einsparung frei. Sicher finden sich jeweils auch Orte, an denen Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen installiert und in das Netz eingebunden werden können. Für Spitzenlasten braucht es dennoch oft einen potenten, speicherbaren Energieträger – diese Aufgabe kann in den meisten Fällen mit Gas aus dem Gasnetz ausgefüllt werden.
Gas verbrennt im Vergleich zu allen anderen fossilen Energieträgern am saubersten. Doch wenn im Gasnetz der sog. Switch hin zu erneuerbaren Gasen gelingt, kann auch das heutzutage noch emittierte, fossile CO2 ersetzt und die Gasnetze sozusagen defossilisiert werden. Dies geschieht zum einen über die Nutzung von Biogas bzw. Biomethan, das aus pflanzlichen Reststoffen gewonnen wird. Ein Großteil kann aber mittel- bis langfristig durch Wasserstoff und aus diesem hergestellte synthetische Gase übernommen werden.
Doch wann kommt der Switch? Ein konkretes Umschalten wird es nicht geben. Denn der Wasserstoff, der in vielen Anwendungen die Grundlage für klimaneutralen Betrieb darstellt, wird erst mit der Zeit in relevanten Mengen verfügbar sein. Aber der Hochlauf der Produktionskapazitäten beginnt schon heute. Meist werden die Projekte dezentral, in kleinem Maßstab und für spezifische Anwendungen errichtet. Bei größeren Erzeugungsmengen muss der Wasserstoff, der grün (aus erneuerbaren Energien), blau (aus Erdgas, aber mit Abscheidung und Speicherung des CO2) oder türkis (aus Methanpyrolyse) hergestellt werden kann, später aber auch auf dem freien Markt verteilt werden.
Wasserstoff: Der Kampf um die Verteilung – die KWK steht bereit
Nach aktueller Lesart sind die Industrie und der Verkehr die Nutznießer des Wasserstoffs. Dessen Transfer dorthin bedeutet aber einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Während Lkw mit Brennstoffzellenantrieb inzwischen immerhin im Testbetrieb sind, stecken industrielle, CO2-einsparende Wasserstoffanwendungen wie die Direktreduktion von Eisen oder der Ersatz von Steam-Reformern in Raffinerien noch in den Kinderschuhen. Mit über die zur Verfahrensentwicklung unabdingbaren Pilotanlagen hinausgehenden, industriellen Anlagen wird wegen der technologischen Komplexität und des immensen Finanzaufwands erst ab dem Jahr 2030 gerechnet.
Doch schon heute beginnt der Markthochlauf für die Erzeugung grünen Wasserstoffs und die erzeugten Mengen an Wasserstoff müssen verwertet werden. Im Zuge der Entwicklung des neuen EEG, das am 01. Januar 2021 in Kraft treten soll, wurde in einem am 25. November 2021 verschickten Entwurfs festgelegt, dass zukünftig Strom, der zur Herstellung grünen Wasserstoffs von einem Elektrolyseur verbraucht wird, von der EEG-Umlage vollständig befreit werden soll. Das Wegfallen der für 2021 immerhin 6,5 ct/kWh betragenden Umlage wird vielen Projekten Rückenwind für eine Realisierung geben und die am Markt verfügbaren Mengen des klimaneutralen Wasserstoffes erhöhen.
Wasserstoff: Kurzfristig und kostengünstig Emissionen verringern
Bei den Überlegungen zur Nutzung des grünen Gases gilt es aber, den schon oben beschriebenen Zusammenhang weiterhin zu beachten: Der Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff hebt im Wärmemarkt mit dem geringsten Aufwand die größten Potenziale zur Einsparung von CO2-Emissionen.
Würde die Gasmenge von 636 TWh, die 2018 in den Wärmemarkt ging, zukünftig zu 20 Vol.-% durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzt, könnten kurzfristig nicht weniger als 11 Millionen t CO2 eingespart werden, ohne industrielle Anlagen langwierig umzurüsten!
Während der Hochlaufphase der Wasserstoffversorgung stehen zudem mit den landauf, landab installierten Wärmeerzeugern Abnehmer bereit, die den Wasserstoff problemlos mitnutzen können, bis die Industrie ihre Produktionsanlagen umgestellt hat und der Schwerlastverkehr über ein ausreichend dichtes Tankstellennetz verfügt. Diese Potenziale dürfen nicht durch einseitige Zuteilungen vergeben werden! Bei einem gegenüber dem Erdgas höheren Preis für Wasserstoff können die Verbraucher selbst wählen, welche Anwendungsart ihnen die beste Klimalösung und die größte Wertschöpfung bringt.
Thomas Wencker
Telefon: 0 30 / 22 19 13 49-0
E-Mail: thomas.wencker@asue.de
Neue "GasHyzungen" mit Wasserstoff 2019/2020
Der Umbau von Gasbrennwertheizungen auf den Betrieb mit Wasserstoff ist von überschaubarem Aufwand. 2019/2020 hatten drei führende Hersteller ihre "GasHyzungen" bereits im Probebetrieb.